Eine Woche noch bin ich Ehefrau, Patentante und Freundin! Dann wird das Aufgabengebiet wieder erweitert auf Tochter, persönliche Assistentin, Fahrerin und Pflegerin in Teilzeit. Es ist ein Fulltime-Job, die Pausen sind nicht geregelt und die Bezahlung wird auf dem Konto Ehrenamt verbucht. Seit 5 Jahren ist es meine Haupttätigkeit, im Laufe der Jahre wurde meine persönliche Einstellung härter mir und meiner Mutter gegenüber. Das schwierige ist seinen Geist auf Mitgefühl auszurichten!

Partnerschaft die im Laufe der Jahre sehr gut gewachsen ist, gleicht einem Baum , mit guten Wurzeln übersteht er auch einen Sturm! Das Unwetter jährt sich bald! Die Zeit heilt die Wunden! Es wird Gras über die Sache wachsen! Wenn ich jetzt Bilanz ziehe, sehe ich eine dünne Grasschicht! Es ist eine Familien Geschichte. Bei diesem Gewitter wurden wir alle nass! Mittlerweile haben wir die nasse Kleidung in den Container gelegt. Die Familie hat sich mit der neuen Situation arrangiert. Mein Mann hat seine Kleidung am Körper trocknen lassen!!! Durch den harten Winter und den heißen Tagen im Juli ist die Kleidung nicht mehr atmungsaktive! Im Schrank hängt neue Kleidung, schick, sportlich und der Persönlichkeit entsprechend. Alle Textilien tragen ein Etikett: VERGEBEN & VERZEIHEN. Bevor ich die Hemden und Hosen in den Schrank gehängt habe, wurden sie mit Liebe imprägniert.

Heute haben wir Abschied von einer starken, verantwortungsvollen Frau genommen. Meine Großtante hatte ein bewegtes Leben. Sie war Krankenschwester im 2.Weltkrieg. Nach Kriegsende musste sie sich ein neues Leben erkämpfen. Eigentlich hat das Wort Kampf ihr ganzes langes 92 - jähriges Leben bestimmt.Niemand sagte ihr das Sie sich nach Kriegsende entnazifizieren muss. Eine förmliche Angelegenheit. Dadurch wurden die Kriegsjahre für ihre Rente nicht anerkannt. Verheiratet war sie auch! Insgesamt hatte sie 5 Partner davon mit 3 mit Trauschein. Die letzten 2 kannte ich auch! Glaubt jetzt nicht das Sie so „ eine “ war! Sie hatte Pech mit ­ihren Partner geschieden, gefallen, verstorben. Sie war bis zum Ende geistig voll fit, lebte im Hier und jetzt. Fußball bzw. Sport war ihre Leidenschaft. Habe immer noch den herrlichen ostpreußischen Akzent im Ohr.
Sterben ist nicht das Problem. Das Problem ist ein Leben ohne Bedeutung.

Das interessante am Leben ist, wenn ich zurückschaue, das immer wieder einen roten Fahne sehe. In diesem Fall ist mein Bruder der Faden. Das Verhältnis zu ihm war schon immer abenteuerlich. Als wir Kinder waren und es hat sich verschlechtert, als er geheiratet hat. Immer auf Distanz wurde ich jahrelang als nicht vollwertige Schwester akzeptiert. Dann 2008 trennten sie sich. 2009 war das Jahr der Wahrheiten. Vieles kam ans Tageslicht. Es hatte einen Tsunami Charakter. Mittlerweile 2010 sind die Wellen glatt bis auf einen Strudel. Mein Mann und mein Bruder haben sich so gestritten das jetzt Funkstille ist. Beide haben es versucht der Familie wegen. Beide haben 50/50 Schuld an der Situation. Beide wollen kein Kontakt mehr. Das Vorteil von diesem Tsunami Jahr ist, in unsere Ehe ist noch mehr Respekt und Achtung bekommen. Mein Bruder weiß jetzt das seine kleine Schwester viele Qualitäten hat. Der Alltag hat uns wieder eingeholt aber auf Distanz.
Nur Weisheit gewährt letztendliche Freiheit.

Ich sitze hier und warte, meine Gedanken blicken in die Vergangenheit. Vor drei Jahren drehte sich mein Alltag in eine neue Richtung. Mein Mann hatte einen schweren Betriebsunfall. Die Dankbarkeit war uns schon 24 Stunden nach der OP bewusst. Nachdem ich 3 Monate Chauffeur spielte, war ich froh endlich wieder Beifahrer zu sein. Es waren nur 2 Wochen, bis sich mein Alltag Leben erneute drehte. Jetzt muss ich: Jeden Monat Chauffeur sein. Jeden Monat schenke ich meiner Mutter Lebenszeit! Jeden Monat beobachten, wie Menschen um ihr Leben kämpfen! Jeden Monat auf Stillstand hoffen. Jeden Monat gezeigt werden wie viel Lebensqualität wir doch besitzen. Es ist eine Zeit die viel Kraft kostet und im Gegensatz dazu kann ich auch viele gute Eindrücke speichern. Je schöner, je reiner, je bedeutender, je sinnvoller wir die Dinge sehen, desto näher sind wir an der letztendlichen Wahrheit.

Wer kennt nicht die Situation, es klingelt, mein Mann öffnet die Tür. Jehovas Zeugen! Sobald sie sich vorgestellt haben, denken wir bzw. ich wir werden wir sie wieder los. Da mein Mann ein guter Rhetoriker ist und mein Schwager auch ein Zeuge, war der Türgriff noch nicht in der Hand. Nachdem sie ihren obligatorischen Text gesagt hatten. Antwortet mein Mann: „ Sie müssen wissen, das mein Bruder auch Ihr Bruder ist! Aber sie sind nicht mein Bruder, und mein Bruder hat es auch nicht geschafft mich zu überzeugen ihr Bruder zu werden! Schweigend und Ratlosigkeit in den Augen, verließen sie unsere Türschwelle. Unser Joker : Rhetorik + Verwandtschaft.Wer in seiner Mitte ruht, wird richtig handeln, wenn die Zeit reif ist.